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Haikus | JÖdigi
Lyrik – Februar 2025 von Helmut Voit

Haikus

Kleine Gedichte aus Japan

Haikus / SergioVas/Shutterstock.com

Aus „dem Land der aufgehenden Sonne“ kommen nicht nur Manga-Comics, sondern auch eine alte Gedichtform, die Haikus. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, dass sich Lyrik nicht immer reimen muss und nicht einmal einen Titel braucht. Denn auf beides wird in den japanischen Gedichten verzichtet.

Leon Porträt Rechts

Die früheren, alten Haikus drehen sich fast immer um die Natur und eine der vier Jahreszeiten. Bei folgendem Gedicht hast du sicher gleich das Bild einer verschneiten Landschaft im Kopf:

Feld und Hügel hat
Fortgenommen heut der Schnee -
Nichts ist mehr zu sehn.


Naitō Jōsō (1662 – 1704)


Eines der bekanntesten Haikus beschreibt eine andere Jahreszeit. Dort steht ein Frosch im Mittelpunkt. Im Original lautet das Gedicht so:

Furu ike ya
kawazu tobikomu
mizu no oto


Matsuo Bashō (1644 – 1694)

Sprichst du kein Japanisch, kannst du den Text natürlich nur in einer Übersetzung verstehen. Eine ältere deutsche Version davon geht so:

Uralter Weiher,
Verträumt! – Da platscht ein Froschsprung,
Nun tönt das Wasser!


(übersetzt von Julius Kurth)


Wie unterschiedlich Übersetzungen eines Textes sein können, zeigt dir eine alte Übertragung dieses Gedichts ins Englische. In dem sehr kurzen Text heißt es: 

Old pond
frogs jumped in
sound of water


(übersetzt von Lafcadio Hearn)

Noch kürzer könntest du das Gedicht vielleicht so zusammenfassen: „Teich Frosch Platsch“. Unter dieser Überschrift findest du hier noch weitere deutsche Übersetzungen dieses Haikus.

Was heißt …
Weiher: kleiner, flacher See
pond: auf Deutsch: Teich, Weiher

Weniger ist oft mehr

Vielleicht hast du schon einmal den Spruch „Weniger ist oft mehr“ gehört. Er soll ausdrücken, dass kleinere Dinge häufig zu einem besseren Ergebnis führen. Das trifft in jedem Fall auf die kurzen Haikus zu. Durch ihre Bildsprache können sie Stimmungen und Empfindungen besonders gut wiedergeben. Das funktioniert nicht nur in Japan, sondern auf der ganzen Welt. So wurden im Lauf der Zeit Haikus auch in anderen Sprachen geschrieben. Im deutschsprachigen Raum war der berühmte österreichische Dichter Rainer Maria Rilke einer der ersten, die sich an Haikus probierten. Von ihm stammt dieses etwas traurige Gedicht:

Kleine Motten taumeln schaudernd quer aus dem Buchs;
sie sterben heute Abend und werden nie wissen,
daß es nicht Frühling war.


Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)


Was heißt …
Buchs: kurz für Buchsbaum

Wie jede Gedichtform haben auch Haikus bestimmte Merkmale. Hör dir die Gedichte noch einmal an und lies sie dir durch. Wie du schon weißt, gibt’s hier keine Reime. Fällt dir sonst noch etwas an den Texten auf?

DEIN FACHWORTSCHATZ

Haikus bestehen auf Deutsch fast immer aus drei Zeilen. Ihren Rhythmus erhalten diese Gedichte durch Silben.
Eine Silbe ist ein Teil eines Wortes. Du erkennst sie fast immer, wenn du ein Wort trennst. Sprichst du das Wort laut vor, klingen die Silben abgerundet. Wörter bestehen aus einer oder mehreren Silben. Zum Beispiel: 

„Kleine Gedichte aus Japan“ - Diese Wörter haben diese Silben: „Klei-ne Ge-dich-te aus Ja-pan“ –

„kleine“ und „Japan“ bestehen also aus je zwei Silben, „Gedichte“ aus drei Silben und „aus“ ist einsilbig.

Haikus auf Deutsch folgen oft diesem Muster:
Die Wörter in der ersten Zeile haben zusammen 5 Silben, in der zweiten 7 Silben und in der dritten Zeile wieder 5 Silben. (also 5 – 7 – 5)

Viele Dichterinnen und Dichter halten sich an die Silbenfolge 5 – 7 – 5. Gesetz ist das aber keines. Ein gutes Beispiel dafür, dass es auch anders geht, ist der Motten-Haiku von Rilke. Davon kannst du dich auch in unserem Quiz überzeugen.
Möchtest du selbst ein Haiku verfassen, kannst du dir etwa hier ein paar Tipps holen.

Quak nachdenken

Haikus zum Anhören

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Lyrische Grüße von Helmut Voit